Ergotherapie
Ergotherapie und Selbstwirksamkeit
Ergotherapie und Selbstwirksamkeit – warum kleine Schritte große Wirkung haben
Gerade für Menschen, die mit einer neurologischen Erkrankung oder mit einer psychischen Krise leben, ist dieses Gefühl oft lange verschüttet. Wer einen Schlaganfall erlebt hat oder durch eine Depression kaum aus dem Bett kommt, verliert leicht das Vertrauen in den eigenen Körper oder die eigene Handlungsfähigkeit. Und genau hier setzt die Ergotherapie an.
Selbstwirksamkeit im neurologischen Bereich
Nach einem Schlaganfall kann schon das Greifen einer Tasse oder das selbstständige Anziehen einer Jacke ein Erfolgserlebnis sein. Dinge, die früher selbstverständlich waren, müssen oft mühsam wieder erarbeitet werden. In der Therapie schaffen wir dafür geschützte Räume: Bewegungen dürfen ausprobiert, Fehler gemacht und Fortschritte gefeiert werden. Jede gelungene Handlung – so klein sie auch wirken mag – ist ein Signal an das Nervensystem und an die Psyche: Ich kann Einfluss nehmen. Ich bin nicht hilflos.
Dieses Erleben wirkt sich weit über die Therapiestunde hinaus aus. Wer einmal wieder spürt, dass er etwas „schafft“, entwickelt Mut für den Alltag und traut sich mehr zu.
Selbstwirksamkeit im psychischen Bereich
Auch in der Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen spielt Selbstwirksamkeit eine zentrale Rolle. Viele meiner Klient*innen haben lange das Gefühl erlebt, den Umständen ausgeliefert zu sein: der Krankheit, der Vergangenheit, den Erwartungen anderer. In der Ergotherapie erarbeiten wir dann gemeinsam neue Erfahrungen: eigene Entscheidungen treffen, Gefühle benennen, eigene Grenzen wahrnehmen und aussprechen oder auch Routinen entwickeln, die den Alltag stabilisieren.
Besonders wertvoll ist dabei, dass die Therapie nicht nur im Gespräch stattfindet, sondern über konkrete Handlungen, Übungen und Projekte. Ob beim kreativen Gestalten, beim Planen von Alltagsschritten oder im Umgang mit meinen Therapiebegleithunden – jede Handlung vermittelt: Ich tue etwas, und es hat eine Wirkung.
Warum kleine Schritte entscheidend sind
In beiden Bereichen – neurologisch und psychisch – zeigt sich, dass es nicht die großen Sprünge sind, die den Unterschied machen, sondern die vielen kleinen Schritte.
- Die erste halbe Stunde, in der jemand wieder konzentriert arbeiten kann.
- Das selbstgekochte Essen, das plötzlich wieder schmeckt.
- Der Moment, in dem ein Klient stolz erzählt: „Ich habe mich getraut, Nein zu sagen.“
Das sind Augenblicke, in denen Selbstwirksamkeit spürbar wird. Und diese Augenblicke sind wie kleine Samen, die langfristig wachsen können.
Meine Haltung dazu
Für mich als Ergotherapeutin ist es eine der schönsten Erfahrungen, mitzuerleben, wie Menschen ihren Mut zurückgewinnen. Ich sehe meine Aufgabe darin, Räume zu schaffen, in denen Neues ausprobiert werden darf – ohne Druck, aber mit Klarheit und Struktur. Selbstwirksamkeit entsteht nicht durch Ratschläge, sondern durch Erlebnisse. Und genau diese Erlebnisse gestalten wir in der Therapie.